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Fokus Speisereste – auch in Pflegeeinrichtungen ein lohnenswerter Blick

Die aktuellsten Medienberichterstattungen haben bei uns das Bewusstsein für die Wertschätzung beim Thema Lebensmittelabfälle noch mehr geschärft. Es ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die Zahlen sollten uns berühren. Das BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) geht immerhin von besorgniserregenden 11 Millionen Tonnen Speiseresten im Jahr seitens der Industrie, Handel, Privathaushalten und Großverbrauchern aus! Wir konnten anhand einer selbst speziell durchgeführten Analyse von Speiseresten in einer Pflegeeinrichtung weitere Erkenntnisse gewinnen.

 

Unvorstellbare 1,5 Millionen Tonnen in Großküchen an Verwurf

Auch wenn laut Studie mit 61% der Großteil dieser Lebensmittelabfälle in Privathaushalten anfällt, so folgen doch immerhin mit jeweils 17% die Großverbraucher- Küchen – zu denen neben Kantinen auch Gaststätten zählen – sowie in der Industrie. Runtergebrochen werden demnach bei den Großverbrauchern bundesweit jedes Jahr knapp 1,5 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt. Den Angaben der Studie nach wären nach repräsentativen Ergebnissen rd. 65 Prozent dieser Lebensmittelabfälle vermeidbar. Quelle: Studie BMEL

 

Doch hier sollte unter drei Speisen-Abfallarten in unseren Produktionsküchen unterschieden werden, und zwar in

  • vermeidbare Abfälle: Lebensmittel, die zum Zeitpunkt noch uneingeschränkt genießbar gewesen wären (Überproduktion, Büffetauslage, aber auch wg. Hygienevorschriften wie Rückstellproben)!
  • tlw. vermeidbare Abfälle: Lebensmittel, die z.B. aufgrund unterschiedlicher Gewohnheiten entsorgt werden (Büffetmengen, Brotrinde etc.)
  • nicht vermeidbare Abfälle: Lebensmittel, die überwiegend nicht essbar sind (Orangenschalen, Fischgräten, Knochen etc.).

 

So fallen also in unterschiedlich gelagerten Großverbraucher-Küchen unterschiedliche Abfallarten an – je nachdem, wie sich tatsächlich auch die Fertigungstiefe dieser Küchen darstellt. Nur, was genau landet tagtäglich an Lebensmitteln in der Tonne?

 

Entsorgungskosten im Fokus

War es bis vor wenigen Jahren üblich, Speisereste aus Großküchen an Tiere zu verfüttern, so ist dies seit Längerem inzwischen verboten. Demzufolge benötigt jede Einrichtung heute von ihrem Entsorgungsunternehmen einen entsprechend spezifischen Entsorgungsbeleg als Nachweis für die fachgerechte Entsorgung. Man tut also gut daran, diese Anforderungen ernst zu nehmen und sich ausreichend sachkundig zu machen, da die zuständige Behörde von ihnen verlangen kann, ob und wie die momentane Form geeignet und zulässig ist.

 

In den meisten Einrichtungen erfolgt die Entsorgung über 120 ltr.-Kipptonnen, die einzeln abgerechnet werden und je nach Region unterschiedlich ausfallen. In der Regel schlägt ein Preis von ca. 9,- bis 11,- € / Tonne zu Buche. Tipps: Da die Tonne stückweise abgerechnet wird ist es empfehlenswert, jede einzelne Tonne wirklich nur nach einem definiertem Befüllungsgrad zur Abholung freizugeben.

 

Nicht selten ist anzutreffen, dass kompostierbare Speisereste (z.B. Putz-/Schälabfälle von Salat, Gemüse) sowie Brot oder auch Kaffeesatz einer von anderen Speiseresten getrennten Entsorgung zugeführt werden können. Hier gelten dann i.d.R. auch geringere Abholpreise.

 

Die Kosten von Speiseresten an einem Beispiel

Soweit als möglich ist also eine getrennte Entsorgung punktgenau festzustellen und anzuraten. Dazu muss man sich auf die Ebene der einzelnen Prozesse begeben, um hier seriöse Daten zu bekommen. Mit Hilfe und Unterstützung einer unserer PEG Mitgliedseinrichtungen bekamen wir die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum eine stichhaltige Analyse durchzuführen. Die Einrichtung im Hessischen verfügt über knapp 200 Betten, die all ihre mobilen Patienten im Speisesaal verköstigt. Hinzu kommen noch einige Mitarbeiter zum Mittagessen. Der Analyse-Zeitraum war insgesamt zweimal über eine identische Angebots- Woche (4-Wochen-Rhythmus) gewählt, um wirklich auch deckungsgleiche Vergleichszahlen zu erhalten und Entwicklungen zu erkennen.

 

Aus bereits vorherigen analysierten Care-Verpflegungsbetrieben heraus (darunter auch viele Pflegeeinrichtungen versch. Art) lässt sich vom Autor hier gesichert darstellen, dass die entsorgten Mengen an Speiseresten – wohlgemerkt ohne Flüssigkeiten – i.d.R. zwischen rd. 0,25 ltr./kg bis zu rd. 0,750 ltr./kg pro Beköstigungs-/ Vollverpflegungstag liegen! Der oben beschriebenen Beispielklinik darf attestiert werden, dass die Küche bei einem durchaus guten Wert von nur gut 0,3 ltr./kg pro Beköstigungsteilnehmer liegt. Das liegt sicherlich zum großen Teil an der Selbstbedienung beim Früh- und Abendbüffet und der professionellen Ausgabesituation von Küchen-Mitarbeitern direkt während der Mittagessens.

 

Doch gesamtheitlich betrachtet hängen die Kosten von weiteren Faktoren wie Saison und Region, aber auch von der Klientel selbst ab. Es gibt jedoch auch hier eine repräsentative Kennzahl, die zu einem mittleren Kostenwert angesetzt werden können. Dieser liegt bei rd. 2,50 € pro ltr./kg. Diese “primären“ Kosten resultiert aus Erfahrungswerten in der Betriebsberatung, der üblichen Zusammensetzung von Speiseresten und den Wareneinstandskosten. Noch nicht berücksichtigt sind dabei die erbrachten Produktionsprozesse der Küche und angrenzender Bereiche, durch deren Hände die Essenleistung gegangen ist. Diese kommen noch on top!

 

Solche Sekundärkostenbetrachtungen/-berechnungen kann man zwar theoretisch anstellen, sind aber höchst aufwändig in der Berechnung und letztlich in der Gesamtbetrachtung doch eher wenig zielführend. Nimmt man nun den Wert

  • 0,3 ltr./kg pro Person x gut 1.100 Beköstigungstagen
    = 330 ltr./kg Speisereste pro Woche.
  • Multipliziert mit 2,50 € je ltr./kg = stattliche 825,- €.
  • Bei der Analyse sind 63% als vermeidbare Speisereste festgestellt worden, was nunmehr einem tatsächlichen Betrag von immerhin ca. 520,- € (= echte Einsparung) pro Woche bedeutet!

 

Der ökologische und ethische Aspekt

Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es Jahrzehnte, die von Mangel an Lebensmitteln geprägt waren. Ein sorgsamer Umgang mit diesem wertvollen Gut war überlebenswichtig und schon deshalb wurde kaum etwas weggeworfen. Doch auch wenn heute teilweise bei uns noch gehungert wird, haben sich die Zeiten längst und gründlich geändert. Trotz und gerade wegen diesem ökologischen und ethischem Aspekt, dass tierische und pflanzliche Lebensmittel mittlerweile als selbstverständlich gelten und im Übermaß produziert werden, sollte uns zum nach- oder ggf. umdenken animieren! Unsere Überflussgesellschaft lebt in einer ganzjährigen Verfügbarkeit jedweder Lebensmittel. Das Resultat = vergleichsweise “billig“ sind die Preis, die wir in Deutschland für Lebensmittel bezahlen! Deswegen sind diese Verwurfszahlen in Tonnen nicht wirklich überraschend, sondern eher das Ergebnis des gelebten Marktes!

 

Diverse Initiativen wie beispielsweise die von dem BMEL “Zu gut für die Tonne“ wurden angestoßen. Eine Welle von Aktivitäten weiterer Institutionen, Vereinen, Bündnissen und Privatinitiativen schiebt das Thema inzwischen verstärkt noch mehr in den Fokus der breiten Öffentlichkeit. So auch der Verein United Against Waste e.V., welcher 2012 ins Leben gerufen wurde und bei dem die PEG mittlerweile Mitglied ist. Ziel auch unserer PEG ist es, allen Beteiligten in der Wertschöpfungskette den respektvollen und wertschätzenden Umgang mit der Ressource Lebensmittel näher zu bringen und danach zu handeln.

 

Vorgelagerte Küchenprozesse haben Einfluss auf Abfallmenge

Doch zurück zu unserem Projektinhalt. Anhand der festgestellten Analysedaten ist dort gemeinsam im Team ein Maßnahmenkatalog erstellt worden. Trotz der bereits „geringen“ Speisereste ist ein Beispiel sofort aufgefallen, dass jeden Tag zwei Probeteller der angebotenen Mittagessen-Menülinien angerichtet wurden. Immerhin spricht man hier von ca. 0,9 ltr. vermeidbaren Speisenverwurf je Tag – hochgerechnet gut 820,- € pro Jahr. Die Lösung ist, diese Teller professionell zu fotografieren und dann über einen bereits ohnehin vorhandenen Bildschirm während der Ausgabe, für die Kunden anzuzeigen.

 

Auch wenn nun viel aus der “hinteren“ Betrachtung gesehen wird, so sind die vorgelagerten Prozesse durchaus mit maßgebend für die anfallenden Liter bzw. Kilogramm. So gesehen sind in den Zubereitungsküchen verschieden gelagerte Einflüsse zu erkennen, seien sie nun als erhöht oder mäßig zu betrachten, die es zu hinterfragen gilt:

  • Biete ich über meine/n Speiseplan/-karte die richtigen Speisen in der durchführbaren Anordnung an (Akzeptanz)?
  • Sind meine Portionsgrößen und Kalibrierungen angemessen (kalkuliert – idealerweise mit Rezepturen)? Gibt es dazu einen ausgearbeiteten Kellenplan, um korrekt abmessen zu können?
  • Hat der Patient/Bewohner die Möglichkeit, zu viel/versehentlich/überhaupt zu bestellen oder kann gar ohne Beschränkungen bestellt werden, also was vielleicht auch gar nicht zu schaffen ist?
  • Wie bewerte ich dieses Bestellverhalten von diversen Schnittstellen-Anforderungen (Pflege, Menüassistenz u.v.m.)?

 

Zum Beispiel

  • für Patienten, die wegen OP nüchtern bleiben müssen oder nichts Essen dürfen/können!
  • für Patienten die bereits schon entlassen sind!
  • für Bewohner die sich abgemeldet außer Haus befinden;
  • Beliefere ich meine Stellen ggf. (zu) großzügig oder gar falsch – in diesem Fall mein Ausgabebüffet (Veränderung Ausgabegeschirr bzw. Größe der Platten)?
  • Wie sieht meine Produktionslinie aus, die Vorbereitungen und das (Zwischen) -Lagern? Muss diese ggf. angepasst oder gar verändert werden?
  • Wie flexibel darf / will / muss ich mein Angebot gestalten?

 

In allen diesen Fällen gibt es erkennbare Gründe zu handeln!

 

Eine besondere Wichtigkeit der Speisenversorgung (GV- Einrichtung Care) ist es, sich auch über alle beteiligten Schnittstellen eng über die gesamte Organisation hinweg abzustimmen. Nur wenn das gelingt, greift letztlich alles positiv ineinander, mit vorteilhafter Entwicklung auf die Speisenabfallmengen. So macht dies hoffentlich allen Verantwortlichen neben Appetit und Hunger auch Spaß, die darin verborgenen Einsparpotenziale zu erkennen und die Speisereste/ Lebensmittelabfälle auf das absolute Mindestmaß zu reduzieren. Es gibt nicht nur ein gutes Gefühl, sondern spart dazu auch noch richtig Geld.

 

Weitergehende Fragen zum Thema beantworten Ihnen gerne die Küchenfachberater des PEG Verpflegungsmanagements.